Narzissmus und Mediation

Pro und Contra von Narzissmus 

„Der Narzissmus liegt allen schweren psychischen Erkrankungen zugrunde.“ Erich Fromm (Psychologe und Philosoph, 1900 – 1980)

Eine Mediation bei Personen mit starken narzisstischen Persönlichkeitsaspekten ist für alle Beteiligten – inklusive dem Mediator – sehr herausfordernd.

Die Frage ist berechtigt:

  • Ist eine Mediation bei Narzissten möglich?
  • Kann man hier vernünftige Ziele / einen Konsens für alle erreichen? 

Ich kann dies mit einem klaren JA beantworten.

Denn: Narzissmus ist ein schon länger existierendes Phänomen. Von jeher gibt es in Streitigkeiten ein sogenanntes Machtungleichgewicht, welches in einer Mediation professionell ausgeglichen werden muss. Man kann sogar sagen, dass praktische jede Mediation von narzisstischen Begleiterscheinungen unterschiedlichster Stärke beeinflusst ist.

Was ist das Ziel der Mediation?

Das ureigene Ziel der Mediation besteht darin, zwischenmenschliche Verhältnisse  untereinander konfliktfreier, friedlicher, zufriedener und glücklicher zu gestalten. Es ist ein vertrauliches und strukturiert ablaufendes Verfahren, um abgrenzbare Konflikte im beiderseitigen Einvernehmen zu lösen. 

Formell betrachtet, handelt es sich hierbei um
⇒ ein außergerichtliches, strukturiertes Verfahren zur konstruktiven Beilegung einer eskalierten Konfliktsituation. 


Die Konfliktparteien werden bei ihrer Lösungssuche (im Unterschied  zur Moderation ist diese bei der Mediation stets ergebnisoffen) durch einen eigenständigen Dritten – dem Mediator – mit dem Ziel unterstützt, am Ende, zu einem Ergebnis zu gelangen, welche von allen Beteiligten getragen wird.

Hierdurch ergeben sich die größten Chancen dass die Einigung einen dauerhaften Bestand hat.


Für die Unternehmensseite ist natürlich das Ziel, die Produktivität (wieder) zu erhöhen, unnötige Gerichtskosten und Imageschäden zu vermeiden, vorrangig.
Trotzdem konzentriert sich die Mediation eher auf den zwischenmenschlichen Bereich und setzt auf die sogenannten „Win-Win-Lösungen“.
Dadurch geht es dem einzelnen Menschen am Ende besser und dies dient spürbar dem gesamten Unternehmen
.

 

Win-Win-Lösungen bedeuten, dass der Ausgangskonflikt auf eine Art und Weise gelöst wird, dass sich
1. die unterbrochenen Arbeitsbeziehungen verbessern und
2. die Konfliktgruppen beiderseits ohne Gesichtsverlust aus der Mediation treten können.

Unterstützung durch das Phasenmodells 

Am Anfang unterscheiden sich die Konflikte kaum: Sie alle sind von Anfang emotional aufgestachelt.

Verletzte Egos und Gefühle und blank liegende Nerven führen dazu, dass Verhandlungen sich sehr schnell festfahren. Es beginnt ein Teufelskreis in der Eskalationsdynamik… Sachaussagen werden verdreht und mit emotionalen Unterstellungen verzerrt.

Genau hier greift die Mediation: Um solche festgefahrenen Situation wieder zu entspannen, bedient sie sich durchgehend strukturierten Vorgehensweise.

Ganz zu Anfangs steht die Klärung, welche selber in einzelne Phasen unterteilt ist.
Durch diese schrittweise Vorgehensweise schafft die Struktur das Vertrauen und dient hier bereits der Deeskalation.
Vertrauen in das Verfahren ist von Anfang an das erste erklärte Ziel in der Mediation.

Eines der wichtigsten Hilfsmittel hierbei ist der sogenannte „sichere Rahmen“.
Hier werden klare Regeln ausgesprochen und vereinbart – manchmal sogar schriftlich –  welche auch eingehalten werden müssen. Der Mediator hat dann im Falle einer Eskalation das Recht zur Intervention .

Der Schutz aller Streitenden als Mensch – unabhängig von seinem Status – hat im Verfahren oberste Priorität. Die Verantwortung für ein Gelingen liegt jedoch bei allen Beteiligten. 

„Risiken und Nebenwirkungen“ der Mediation  bei Narzissmus 

Alles was eine Wirkung hat, hat auch Nebenwirkungen. Eine gefährliche Nebenwirkung schlummert in der Phase nach (!) der Mediation. Betroffen sind hiervon insbesondere die „rangniedrigeren Beteiligten“ aus der Konfliktsituation.

Was ist die Ursache hierfür?
Dies hängt mit einem wichtigen Zwischenziel in der Mediation zusammen. Der Mediator ist am Anfang vordringlich bemüht, eine Atmosphäre des Vertrauens aufzubauen. 
Diese ist wichtig, damit die Beteiligten einen Einblick in die Emotionen und Bedürfnisse aller sich im Prozess befindlichen Personen erhalten. 
Durch dieses „sich öffnen / sich offenbaren“ wird man jedoch auch verwundbar. Man gibt Informationen von sich preis, welche andere nicht nur ge- sondern auch missbrauchen könnten.
Und dieser Konjunktiv wird im betrieblichen Umfeld oft in einen Imperativ umgewandelt. Der Imperativ heißt dann Mobbing und Bossing.


Die Gefahr lauert aber nicht nur für die „Schwächeren“. Auch die – vor der Mediation – „Stärkeren“ die Führungspersonen im Unternehmen sehen sich einer für sie ganz anderen Gefahr ausgesetzt:

In den vergangenen Jahren haben diese Führungspersonen immer mehr Macht und Einfluss im Unternehmen gewonnen. Dies hat in der Folge ihre narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale besonders gefördert und zutage treten lassen. 

Was ist die Folge auf der zwischenmenschlichen Ebene?
Durch den ständig wachsenden Druck in unserer heutigen Unternehmerlandschaft,  geht die Empathie- und Konfliktfähigkeit mehr und mehr verloren. Entscheidungen, welche zuvor noch mit Skrupel und Bedenken überprüft wurden, werden jetzt unreflektiert und gnadenlos durchgezogen.


Begeben sich diejenigen nun in eine Mediation, könnte ihnen ihr Verhalten ja wie in einem Spiegel vorgehalten werden. Diese Begegnung mit dem eigenen ICH ist für einen Narzissten nur sehr schwer zu ertragen. Es kann zu einer Krise im Selbstwert kommen und der Konflikt tritt für ihn sofort in den Hintergrund. 

Solch eine Reaktion ist für einen „normalen“ Außenstehenden in der Intensität oftmals nicht nachvollziehbar. 


All das ist häufig der Grund, warum sich viele Führungskräfte einer Mediation oder sogar einem Coaching verweigern und erst zustimmen, wenn sie durch Dritte hierzu förmlich gezwungen werden. 

Mediation benötigt auch Zeit

Oftmals beauftragen Unternehmen einen Mediator um innerbetriebliche Konflikte zu beseitigen und den gesunden Arbeitsablauf wiederherzustellen. So weit so gut.
In der Praxis möchte man diese Konflikte häufig jedoch schneller lösen, als es die Realität ermöglicht. Es herrscht das Denken vor, dass Konflikte, welche sich über Monate aufgebaut haben, in ein bis zwei Gesprächen sich wie von Zauberhand in Luft auflösen können.

Dem ist aber nicht so! Mediation zielt darauf ab, kognitiv dass Denken und Fühlen mit dem Handeln in Übereinstimmung zu bringen. Dies ist ein Prozess, welcher durch viele Handlungswiederholungen langsam wie eine Denkkultur aufgebaut werden muss.

Was passiert aber, wenn nur wenige Gespräche ermöglicht werden, ohne in die Tiefe zu gehen? 
Oftmals wird dann folgendes beobachtet: Die Beteiligten gehen mit hoher Bereitschaft sich zu öffnen in die Gespräche, öffnen sich und machen sich dadurch verletzlich den anderen Beteiligten gegenüber.
Nun ist aber noch nicht das Denkmuster der lösungsorientierten Handlung im Denken implementiert. Die Gefahr ist in dieser Situation größer als ohne Mediation, dass sich einzelne Beteiligte diese Verletzbarkeit zunutze machen.

Darum sollte einem Mediationsprozess die angemessene Zeit gegeben werden, welche der Mediator hierfür aufgrund seiner Erfahrung einzuplanen gedenkt.

 

 

Die Vorteile einer Mediation überwiegen das Risiko

Nachdem ich nun viel über die Risiken geschrieben habe möchte ich einem eventuell aufkommenden Gedanken dass die Mediation zu viele negativen Seiten beinhaltet mit folgender Abhandlung gegenübertreten:

Die Chancen welche eine Mediation schafft, sind für alle Beteiligten größer als die Risiken.
Wir leben heute in einer Reiz-Reaktions-Welt welche dem Nachdenken und Innehalten vor einer Reaktion kaum noch Zeit lässt.
Mediation ist eine Reflektion auf das Problem von einer anderen Sichtweise aus. Diese neue Dimension der Kommunikation gibt Mitarbeitern als auch Geschäftsführungen neuen Raum bzw. Möglichkeiten des Austausches. Der Schwarmintelligenz wird die Möglichkeit gegeben, das Unternehmen mit neuen und effektiven Ideen zu befruchten.

Ganz klar, unsere heutige Welt wirft viele althergebrachte Werte über Bord. Trotzdem müssen diese sogenannten „alten Werte“ nicht von gestern sein. Mediation verhilft zu einer ruhigen Reflexion der Werte und schafft eine strukturierte Denkumgebung um aufkommende Konflikte effektiv zu bearbeiten. Werden diese Konflikte gemeinsam gelöst, stärkt es sogar das „Wir-Gefühl“ in der Firma und fördert die Kompetenz, größere Aufgaben in der Zukunft zu bewälten.

Sind Sie gerade mehr als frustriert über Ihre Situation und den Umgang mit Ihren Kollegen im Unternehmen? 
Bitte bedenken Sie hierbei folgendes: Meistens liegt es nicht an dem einzelnen Mitarbeiter und damit auch nicht an Ihnen persönlich. Fast immer sind Konflikte im Unternehmen den äußeren Umständen in diesem geschuldet:

  • Es gibt kein durchdachtes Konfliktmanagement durch die Firmenleitung,
  • Aufgaben- und Verantwortungsbereiche werden nur schwammig voneinander abgegrenzt,
  • unzureichende Kommunikation und
  • Immer wird nur reaktiv auf Probleme geantwortet anstatt das Management by Crisis“ abzuändern in ein Zielorientiertes Management, zum Beispiel das „Management by Policy“ welches durch seinen langjährigen Einsatz bei Toyota bekannt wurde. In diesem findet sich das Coaching und Mentoring häufig wider. Hier erfolgen weniger Top-Down-Prozesse sondern vielmehr wird diese MdP umgesetzt durch eine Wechselwirkung von vorgegebenen und gemeinsam entwickelten Zielen und den jeweiligen Rückmeldungen hierzu. Dies dauert zwar länger, hat aber auf Dauer besser Ergebnisse vorzuweisen.
 

Wenn Sie eine Einschätzung über die Chancen und Risiken in Ihrem persönlichen Falle erhalten möchten, lade ich Sie zu einer Mediationsvorbereitung ein.

Es ist überhaupt nicht notwendig, blind in eine Hauptmediation einzutreten. In einem Vorgespräch können Sie sich Ihrer eigenen Ziele bewusst werden

 

und diese in die spätere Mediation pro-aktiv mit einbringen.


Epilog – Narzissmus in der Mediation

Eine Mediation ist nicht grundsätzlich zum Scheitern verurteilt, wenn Narzissmus vorhanden ist.
Die Mediation öffnet neuen Chancen und Risiken die Tür 

Es ist evtl. mit einem Rechtsstreit vergleichbar: Das Antreten eines Rechtsstreites gibt keine Garantie für dessen Ausgang. Ob ich diesen beginne oder nicht, ist meine ureigene individuelle Entscheidung. Aber nur in dem Falle meiner Teilnahme kann ich auf diesen positiv einwirken
– z.B. indem ich mich darauf gut vorbereite
– oder auch indem ich mir einen kompetenten Beistand besorge. Im Falle eines Rechtsstreites ein Anwalt – im Falle eines Konflikt der Mediator. 
Und genauso wie Sie einen Rechtsanwalt sehr sorgfältig auswählen, sollten Sie auch bei der Auswahl des Mediators wählerisch sein.